Die Bedeutung des Hirsches im japanischen Altertum – Mythologie, Religion, Alltagsrealität
Carolin Münch, M.A., LMU München
Denkt man an Tiere in der japanischen Mythologie, kommen einem zunächst vor allem Füchse und Tanuki in den Sinn. Denkt man wiederum an Hirsche, erscheinen vor dem geistigen Auge vor allem Bilder von mehr oder weniger zahmen Hirschen im Nara-Park rund um den Kasuga Taisha. Dass die beliebten Nara-Hirsche noch immer verehrt werden, liegt vor allem an der Gründungslegende des Großschreins von Kasuga, der zufolge die Hauptgottheit auf einem weißen Hirsch dorthin geritten sein soll.
Jedoch spielte der Hirsch schon vor dieser Zeit und auch darüber hinaus verschiedene Rollen in der Lebensrealität der Menschen des Altertums. Zahlreiche Mythen und Volkslegenden weisen darauf hin, dass der Hirsch als Götterbote oder Manifestation von kami in Erscheinung trat, sowohl als Schutzgottheit als auch als Opfertier für landwirtschaftliche Rituale zum Einsatz kam oder am Hof ein Symbol für Macht und Glück war. Als „Materiallieferant“ sollte er ebenfalls nicht übersehen werden, wurden Fell, Leder und Geweihe für höfische Zeremonien benötigt und auch sein Fleisch verzehrt. Das Ineinandergreifen verschiedener vor allem religiöser Kontexte („Shintô“, Buddhismus
etc.) muss bei dieser Kulturgeschichte ebenfalls Berücksichtigung finden.
Überraschenderweise ist der bisherige Forschungsstand zur Bedeutung des Hirsches eher dürftig. Selbst in der japanischsprachigen Forschung gibt es nur wenige Beiträge, in der englisch- oder gar deutschsprachigen Japanwissenschaft besteht hier eine enorme Lücke. Trotzdem lässt sich auf der wertvollen Vorarbeit anderer aufbauen und ich möchte mit meinem Dissertationsprojekt daher versuchen, die Frage zu klären, woher die Bedeutung des Hirsches im japanischen Altertum kommt bzw. woran sich seine Bedeutung festmachen lässt. Dafür nutze ich verschiedene Quellen aus der Mythologie, Geschichtsschreibung, Gesetzgebung und Literatur als Informationsbasis und
versuche, hermeneutisch eine schlüssige Gesamtschau zu den vielfältigen Gesichtern des
Hirsches zu zeichnen. In meinem Vortrag möchte ich den Zwischenstand meines Projekts zum jetzigen Zeitpunkt vorstellen.
Carolin Münch studierte Japanologie (B.A.) sowie Religion und Philosophie in Asien (M.A.) an der LMU München. Im Rahmen ihres Promotionsprojektes, das von Prof. Dr. Klaus Vollmer betreut wird, beschäftigt sie sich mit den zahlreichen Facetten, mit welchen der Hirsch in der japanischen Mythologie und Religion im Altertum aufwartete.
Der Vortrag findet in Präsenz statt.